Dein Broker zeigt dir 1.847 verschiedene Aktien zur Auswahl. Du scrollst durch die Liste, siehst Namen wie Siemens, Apple, irgendwelche Biotechfirmen aus dem Nirgendwo. Und dann fragst du dich: Soll ich wirklich versuchen, die Nadel im Heuhaufen zu finden? Oder gibt’s da nicht einen schlaueren Weg?
Gibt es. ETFs machen aus diesem Glücksspiel eine Strategie.
Was zum Teufel ist eigentlich ein ETF?
ETF steht für Exchange Traded Fund – klingt kompliziert, ist aber eigentlich ziemlich simpel. Stell dir vor, du willst Pizza bestellen, aber anstatt dich für eine Sorte zu entscheiden, nimmst du einfach ein Stück von jeder. Genau das macht ein ETF mit Aktien.
Ein ETF ist im Grunde ein Korb voller Wertpapiere, der an der Börse gehandelt wird wie eine einzelne Aktie. Du kaufst einen Anteil und bekommst automatisch winzige Stücke von hunderten oder sogar tausenden verschiedenen Unternehmen. Der MSCI World ETF zum Beispiel? Der packt dir über 1.500 Aktien aus 23 Ländern in ein einziges Investment.
Im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds versucht ein ETF nicht, schlauer als der Markt zu sein. Er bildet einfach einen Index nach – wie ein Fotokopiergerät für Börsenindizes. Kein Fondsmanager, der meint, er wüsste, welche Aktie morgen durch die Decke geht.
Der technische Kram – oder: Wie ETFs funktionieren
Okay, wird jetzt etwas nerdig, aber bleib dran. ETFs funktionieren durch sogenanntes „Tracking“ – sie verfolgen einen bestimmten Index. Das kann der DAX sein, der S&P 500 oder irgendein spezieller Index für erneuerbare Energien.
Es gibt zwei Hauptmethoden, wie das passiert:
Physische Replikation: Der ETF kauft tatsächlich alle Aktien, die im Index enthalten sind. Bei einem DAX-ETF würde er also wirklich Anteile von SAP, Siemens und den anderen 38 DAX-Unternehmen kaufen. Manchmal kauft er auch nur die wichtigsten (das nennt sich „Sampling“), aber das Prinzip bleibt gleich.
Synthetische Replikation: Hier wird’s trickreich. Der ETF kauft nicht die echten Aktien, sondern schließt einen Swap-Vertrag mit einer Bank ab. Die Bank verspricht, die Index-Performance zu liefern. Klingt wie Finanz-Voodoo? Ist es auch ein bisschen.
Ehrlich gesagt, für die meisten Anleger ist physische Replikation die transparentere Wahl. Du weißt, was du hast.
Warum ETFs oft die schlauere Wahl sind
Hier kommt der Punkt, an dem ETFs richtig glänzen. Erstmal die Kosten: Während aktive Fonds oft 1,5-2% jährliche Gebühren verlangen, kommst du bei ETFs mit 0,1-0,7% weg. Das hört sich nach wenig an, aber über 20 Jahre macht das einen Unterschied von mehreren zehntausend Euro.
Dann die Diversifikation. Eine einzelne Aktie kann dich ruinieren – siehe Wirecard. Ein ETF kann das nicht, weil er breit gestreut ist. Wenn Apple mal einen schlechten Tag hat, gleichen das die anderen 1.499 Unternehmen im ETF aus.
Transparenz ist ein weiterer Pluspunkt. Du weißt jederzeit, was in deinem ETF steckt. Die Zusammensetzung wird täglich veröffentlicht. Bei aktiven Fonds erfährst du das meist nur quartalsweise – und dann auch noch verspätet.
Apropos aktive Fonds: Studien zeigen, dass über 80% aller Fondsmanager langfristig schlechter abschneiden als der entsprechende Index. Sie nehmen mehr Geld, liefern aber weniger Performance. Irgendwie ironisch, oder?
Thesaurierend vs. ausschüttend – was passt zu dir?
ETFs gibt es in zwei Geschmacksrichtungen: thesaurierend und ausschüttend. Thesaurierende ETFs reinvestieren alle Dividenden automatisch. Du siehst das Geld nicht, aber dein ETF wird stetig wertvoller. Ausschüttende ETFs zahlen dir die Dividenden direkt aufs Konto.
Welcher ist besser? Kommt drauf an. Brauchst du regelmäßige Einnahmen? Dann ausschüttend. Willst du langfristig Vermögen aufbauen und den Zinseszinseffekt maximieren? Dann thesaurierend.
Mir persönlich gefällt die thesaurierende Variante besser. Weniger Arbeit mit der Steuer, und ich werde nicht versucht, die Dividenden für spontane Käufe auszugeben.
ETFs für die Altersvorsorge – der Autopilot fürs Vermögen
Hier wird’s interessant für alle, die nicht bis 70 arbeiten wollen. ETFs eignen sich perfekt für langfristige Sparpläne. Du kannst schon ab 25 Euro monatlich anfangen und dir über Jahrzehnte ein solides Polster aufbauen.
Ein klassisches Beispiel: Du investierst 20 Jahre lang jeden Monat 300 Euro in einen MSCI World ETF. Bei einer durchschnittlichen Rendite von 7% pro Jahr (historischer Durchschnitt) hättest du am Ende nicht nur 72.000 Euro eingezahlt, sondern etwa 147.000 Euro auf dem Konto. Das ist der Zinseszinseffekt in Aktion.
Besonders praktisch: ETF-Sparpläne laufen automatisch. Einmal eingerichtet, musst du nichts mehr machen. Kein ständiges Grübeln über den richtigen Einstiegszeitpunkt, kein Stress mit einzelnen Aktienanalysen.
Die Steuer-Sache – ja, auch das muss sein
Kommen wir zum ungeliebten Thema Steuern. Seit 2018 werden ETFs in Deutschland einheitlich besteuert – egal ob thesaurierend oder ausschüttend. Die sogenannte Vorabpauschale sorgt dafür, dass du auch bei thesaurierenden ETFs jährlich etwas Steuern zahlen musst, auch wenn du nicht verkaufst.
Das klingt erstmal nervig, macht die Sache aber planbarer. Dein Broker rechnet das automatisch ab, du musst nur darauf achten, dass genug Geld auf dem Verrechnungskonto liegt.
Ein Tipp: Nutze deinen Freibetrag von 1.000 Euro (Sparerpauschbetrag) optimal aus. Bei kleineren ETF-Portfolios reicht der oft aus, um steuerfrei zu bleiben.
Risiken gibt’s trotzdem – aber manageable
ETFs sind nicht risikofrei. Märkte schwanken, das ist normal. Der MSCI World hat in schlechten Jahren auch schon mal 40% verloren. Aber – und das ist wichtig – langfristig ging es immer wieder nach oben.
Währungsrisiken spielen bei internationalen ETFs eine Rolle. Investierst du in einen S&P 500 ETF, bist du dem Dollar-Euro-Kurs ausgeliefert. Manche ETFs sind währungsgesichert, das kostet aber extra.
Das Anbieter-Risiko ist übrigens minimal. ETF-Vermögen ist Sondervermögen – geht der Anbieter pleite, gehören die Aktien trotzdem dir.
ESG-ETFs – investieren mit gutem Gewissen
Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein Trend, sondern wird zum Standard. ESG-ETFs (Environmental, Social, Governance) filtern Unternehmen nach ökologischen und sozialen Kriterien. Keine Waffenhersteller, keine Kohlekraftwerke, dafür mehr erneuerbare Energien und sozial verantwortliche Unternehmen.
Interessant dabei: Die Performance unterscheidet sich oft kaum von herkömmlichen ETFs. Teilweise schneiden ESG-ETFs sogar besser ab, weil nachhaltige Unternehmen oft zukunftsfähiger aufgestellt sind.
ETF-Auswahl – worauf es wirklich ankommt
Bei über 2.000 ETFs in Deutschland kann die Auswahl überwältigend sein. Hier die wichtigsten Kriterien:
Fondsvolumen: Mindestens 100 Millionen Euro sollten es sein. Kleinere ETFs werden manchmal wieder geschlossen.
Tracking Difference: Wie genau folgt der ETF seinem Index? Ein guter ETF weicht maximal 0,2-0,5% pro Jahr ab.
Kosten (TER): Die laufenden Kosten sollten unter 0,5% liegen. Bei breit gestreuten Welt-ETFs findest du gute Anbieter schon ab 0,12%.
Replikationsmethode: Physisch ist meist transparenter als synthetisch.
Für Einsteiger empfehle ich oft einen simplen MSCI World ETF. Breit gestreut, günstig, und du machst nichts grundlegend falsch damit.
Die Zukunft gehört denen, die heute anfangen – nicht denen, die noch Jahre über die perfekte Einzelaktie grübeln. ETFs machen Investieren demokratisch: Jeder kann es, und jeder kann erfolgreich sein. Ohne BWL-Studium, ohne Insider-Wissen, ohne stundenlange Aktienanalysen.
Manchmal ist der einfache Weg der klügere. Bei ETFs ist das definitiv der Fall.
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